Altenberger: "Die Frau von" – ihre Angst
Altenbergers Roman "Die Frau von" taucht tief in die Psyche einer Frau ein, die von Angst beherrscht wird. Diese Angst ist nicht konkret benennbar, sondern manifestiert sich als allgegenwärtiges, diffuses Gefühl, das ihr Leben prägt und einschränkt. Der Roman erforscht die Ursachen dieser Angst, ihre Auswirkungen und die Möglichkeiten, mit ihr umzugehen – oder nicht.
Die Wurzel der Angst: Ein Leben im Schatten
Die Protagonistin, deren Name nie genannt wird, lebt in einem Zustand andauernder Unsicherheit. Ihre Angst ist nicht auf ein spezifisches Ereignis zurückzuführen, sondern scheint aus den Tiefen ihrer Lebenserfahrungen zu entspringen. Altenberger meidet explizite Erklärungen, stattdessen zeichnet er ein eindrückliches Bild ihrer Situation: eine Ehe, die eher aus Pflichtbewusstsein als aus Liebe besteht, eine gesellschaftliche Rolle, die sie erdrückt, und ein Mangel an Selbstbestimmung.
Gefängnis der Erwartungen: Gesellschaft und Familie
Die Frau ist in ein Netz aus gesellschaftlichen Erwartungen und familiären Zwängen verstrickt. Sie ist "die Frau von", definiert durch ihre Beziehung zu ihrem Mann und ihre Rolle in der Gesellschaft. Diese Identitätslosigkeit verstärkt ihre Angst und führt zu einem Gefühl der Ohnmacht. Sie ist gefangen in einer Situation, die sie nicht zu ändern vermag, oder zumindest glaubt, nicht ändern zu können. Ihre Angst ist somit auch ein Ausdruck der gesellschaftlichen Repression und der eingeschränkten Möglichkeiten für Frauen in der Zeit, in der der Roman spielt.
Manifestationen der Angst: Körper und Seele
Die Angst der Protagonistin manifestiert sich nicht nur psychisch, sondern auch physisch. Altenberger beschreibt eindrücklich ihre körperlichen Symptome: Schlaflosigkeit, Herzrasen, Magenschmerzen – Zeichen eines Körpers, der unter der ständigen Belastung leidet. Diese somatischen Beschwerden verdeutlichen die Intensität ihrer Angst und ihre tiefgreifenden Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden.
Die Ohnmacht des Schweigens: Unerzählte Geschichten
Ein zentrales Element des Romans ist das Schweigen der Protagonistin. Sie teilt ihre Angst nicht mit ihrem Mann, ihren Freunden oder ihrer Familie. Dieses Schweigen verstärkt ihre Isolation und verstärkt ihre Angst noch weiter. Es ist ein Schweigen, das aus Hilflosigkeit, Scham und der Angst vor Missverständnis entsteht. Die unerzählten Geschichten, die verborgen bleiben, tragen maßgeblich zu der beklemmenden Atmosphäre des Romans bei.
Die Frage nach dem Ausweg: Hoffnung und Verzweiflung
Obwohl der Roman die Angst der Protagonistin im Mittelpunkt steht, bietet er keinen einfachen Ausweg. Es gibt keine pathetische Befreiung, keinen plötzlichen Durchbruch. Die Frage nach der Bewältigung der Angst bleibt offen. Die Leserin wird mit der Ambivalenz der Situation konfrontiert: Hoffnung und Verzweiflung liegen eng beieinander. Der Roman zeigt die Komplexität der menschlichen Psyche und die Schwierigkeit, mit tief verwurzelten Ängsten umzugehen.
Fazit: Ein Roman voller atmosphärischer Dichte
"Die Frau von" ist kein leichter Roman. Er ist atmosphärisch dicht und fordert den Leser heraus, sich mit den unausgesprochenen Ängsten der Protagonistin auseinanderzusetzen. Altenberger gelingt es meisterhaft, die psychologischen Nuancen darzustellen und die Leserin in die Gefühlswelt der Frau eintauchen zu lassen. Der Roman ist ein eindringliches Porträt einer Frau, die von ihren Ängsten beherrscht wird, und gleichzeitig ein Kommentar zu den gesellschaftlichen Bedingungen, die diese Ängste begünstigen. Er bleibt lange nach dem Lesen im Gedächtnis und regt zu intensiver Reflexion an.